In der Ukraine ist der Trend zu Psychologenbesuchen angesagt. Eine Fachkraft warnt die Ukrainer vor einer besorgniserregenden Tendenz.

Psychotherapie als Modetrend

Die Psychotherapeutin und Dozentin der Boris-Grinchenko-Universität, Anna Sobtschak, äußert ihr Unverständnis darüber, dass immer mehr Ukrainer sich nicht aus echtem Bedarf, sondern nur um ihren Status zu demonstrieren, an Psychologen wenden.

«Meine Studenten erzählen mir fast stolz, dass jemand Halluzinationen hat, jemand – ADHS, und bei jemand anderem – eine Störung im autistischen Spektrum. Denn das ist 'in', und es ist ein gewisses Zeichen des materiellen Wohlstands, da sich nicht jeder regelmäßige Besuche bei einem Psychotherapeuten leisten kann», merkt die Fachkraft an.

Die Expertin betont, dass psychische Störungen zur Mode geworden sind und Psychotherapie nur ein Statussymbol darstellt, zu dem man nicht so einfach Zugang hat.

Fehler in Erziehung und Psychotherapie

Sobtschak glaubt, dass die Popularität der Psychotherapie in der Ukraine eine Reaktion auf die Vergangenheit ist, als psychische Gesundheit nicht als wichtig erachtet wurde. Jetzt kann man entgegengesetzte Extreme beobachten: von Ignoranz bis hin zu übermäßigem Fokus.

«Damals gab es kein 'ich', es gab ein 'wir', es gab einen Kult um gesellschaftliche Interessen. Jetzt hat sich alles geändert, und es ist Zeit für einen Hyperfokus auf das eigene Ich. Genau denselben Fehler, dieselben Extreme beobachten wir auch in der Erziehung von Kindern. Von Ignoranz sind wir zur Anbetung gewechselt, was sowohl Kindern als auch Eltern schadet. Hier ist das Gleichgewicht und gesunde Grenzen wichtig», erklärt die Expertin.

Der Psychotherapeutin zufolge konzentrieren sich die Eltern jetzt zu sehr darauf, den Kindern Aufmerksamkeit und Komfort zu bieten, ohne das Gleichgewicht zu berücksichtigen. Dies kann sich negativ auf alle auswirken – sowohl auf Kinder als auch auf Erwachsene.